Die Wurzeln des Bösen: theologischer Ansatz für einen brutalen Gott

In der christlichen Tradition ist Gott ein „liebender“ Gott. Er liebt seine Schöpfung, vor allem aber liebt er seine Menschen.
Nun gibt es aber nicht nur Gutes in der Welt, sondern auch die schlechten Seiten. Ich kann einen Menschen füttern, ich kann ihn aber auch bestehlen. Ich kann meine Mama pflegen, ich kann sie auch schlagen. Ich kann den Müll sauber  trennen, aber auch die Batterien in den Biomüll tun. Wenn wir nach Gottes Ebenbild geschaffen sind, ist die Frage, ob Gott auch solche dunklen Seiten hat. Christliche Theologen erklären die dunklen Seiten der Menschheit damit, dass Gott dem Menschen die Wahl lassen will, sich für das Gute, für Gott zu entscheiden oder sich dem Dunklen, dem Bösen zu widmen (Theologen sprechen vom Theodizee). Der Mensch soll bzw. kann sich prüfen lassen, in dem er während seiner Erdenzeit den Versuchungen des Bösen widersteht. Hört er nicht auf Gottes Wort, ist er böse.
Dabei stellen sich mir die Fragen: Was ist böse? Wie kommt es in die Welt? Wie steht der Verursacher dazu?
Auf die Frage, was böse ist, gibt es keine eindeutige Antwort. „Böse“ ist eine Bewertung des Menschen und die hat nie Allgemeingültigkeit. Jede Kultur, ja jede Gruppe hat ihre eigene Vorstellung von Werten. Ob sich ein Wert auf eine soziale Gesellschaft bezieht oder auf eine einzelne Person ist schon sehr unterschiedlich. Große Philosophen haben sich seit Urzeiten mit der Frage beschäftigt, ob der Mensch gut oder böse ist. Der Franzose Jean-Jacques Rousseau schrieb: "Alles ist gut, was aus den Händen des Schöpfers kommt; alles entartet unter den Händen des Menschen." Immanuel Kant war Philosoph und der Ansicht, dass der Mensch die Freiheit besitze, sich für das Gute oder das Böse zu entscheiden. Indem er sich für das Böse entscheidet, verstößt er jedoch gegen das Sittengesetz, das mit Vernunft erkannt werden kann. Für Sigmund Freud allerdings ist der Mensch von Natur aus böse aufgrund seines Sexual- und Aggressionstrieb.
Da ich nicht weiß, ob ich einen der Herren nochmal brauchen werde, will ich es mir mit Ihnen nicht verscherzen. Somit bleibe ich in meinem Kämmerlein und begutachte das Böse von der anderen Seite, von der Seite des Leids. Immer, wenn jemand böse ist, dann geschieht jemandem Anderen ein Leid. Es gibt Leid an Tieren, der Natur an sich oder auch nur einem Tisch. Mich interessiert hier erst mal nur das menschliche Leid. Für die Anderen ist das nachher übertragbar. Ohne dieses Leid also ist Böses nicht böse. Wenn ich jemanden belüge und dem geht es durch die Lüge besser, handele ich nicht böse. Wenn ich jemanden schlage, damit er aushusten kann, was er verschluckt hat und in der Luftröhre stecken geblieben ist, handele ich nicht böse.
Andersherum gibt es aber auch Leid, ohne das jemand böse gehandelt hat. Wenn mein Kind über die Straße rennt und dabei von einem Auto tödlich erfasst wird, gibt es keinen, der böse gehandelt hat. Mein Leid aber ist trotzdem sehr groß. Wenn es vom Blitz erschlagen wird oder in einem See ertrinkt, ist mein Leid nicht geringer, weil es sich „nur“ um eine Naturkatastrophe handelt und nicht um menschliches Handeln. Dass es abscheulich ist, wenn jemand 13 Menschen quält und tötet, ist leicht nach zu vollziehen. Wer aber mag das Leid fühlen, wenn ein Erdbeben ein ganzes Dorf auslöscht.
Wenn es einen Gott gibt, der zulässt, dass unzählige Menschen verschüttet werden, in Lawinen oder Vulkanausbrüchen ihr Ende finden, ertrinken, weil das Meer ihr Boot zerschlägt oder eine Sturmflut das Land überschwemmt, durch Krankheitserreger elendiglich verrecken, aufgrund von Überbevölkerung oder Missernten verhungern oder verdursten, dann stellt sich die Frage, wie grausam Gott sein muss, um all das zuzulassen. Andererseits ist „grausam“ auch wieder nur eine menschliche Bewertung eines natürlichen Vorgangs. Entweder ist die Natur aus Zufall erstanden, wie lebendige Eiweißketten in einer Ursuppe oder ein Gott hat das Leben erschaffen. Wenn der Zufall regiert hat, dann spielt „gut und böse“ keine Rolle außer in der menschlichen Bewertung. Wenn andererseits Gott die Erde geschaffen hat, dann hat er  auch die Raubtiere geschaffen, die Jagen und Fressen und dadurch anderes Leben zerstören und Leid auslösen. Er schuf Stürme und Tornados, Erdbeben und Vulkanausbrüche, Dürren und Missernten, Tierplagen und Krankheitserreger nebst tödlichen Viren. Die Natur ist nicht lieb und nett, auch wenn sie mit ihrer Schönheit darüber hinwegtäuschen könnte. Die Natur ist Kampf ums Überleben. Etwas, was wir in unserer hochzivilisierten Kultur meist verdrängen. Doch wenn die Katastrophen über uns hereinbrechen, merken wir, dass die Natur mit uns scheinbar nur spielt. Wir alle sind quasi Akteure im Zirkus Maximus in Rom und Gott sitzt als Kaiser in der Ehrenloge und hebt und senkt seinen Daumen.
Ich finde es schwer, dahinter einen liebenden Gedanken zu finden. Entweder kein Gott oder ein brutaler.
Natur ist Überlebenskampf pur. Es gibt auch die schönen Seiten, die Sonnenuntergänge am Meer, die wohl duftenden Blumen auf der Wiese mit den die Schmetterlingen oder die sich in die Lüfte erhebenden Adler. Dieser Sinn für die Schönheit hat sich die Natur aus uralten Zeiten bewahrt, als das ganze Universum noch eine wunderschöne Blumenwiese war; damals, vor dem Urknall.