Gott als soziale Regel des Zusammenlebens

Die Tora im Judentum, die Scharia im Islam und die Bergpredigt im Christentum sind richtungsweisend für das menschliche Zusammenleben und den Umgang mit Gott. In ihnen wird geregelt, worauf ein Gläubiger zu achten hat, wie er sich zu verhalten hat und wie er seinem Mitmenschen begegnen soll. Dort ist aufgeführt, was verboten und was erlaubt ist und dass Gott über die Einhaltung der Regeln wacht. Es stellt sich die Frage, warum Gott den Menschen vorgibt, wie sie miteinander leben sollen, wenn er ihnen doch die Freiheit gibt, sich auch für das Böse zu entscheiden? Weshalb ist einem Gott daran gelegen, vorzuschreiben, wie Menschen untereinander sich verhalten? Wenn in der Natur der Tiere nur der Stärkere überlebt, warum soll bei den Menschen es anders sein? Weil er seine Menschen liebt? Warum erschafft er nicht alle Menschen gleich stark? Eine Antwort: die Wege des Herrn sind unergründlich. Eine andere: die Regeln stammen nicht von Gott, sondern von Menschen. Für uns Menschen ist es wichtig, dass wir in sozialen Gefügen leben. Alleine sind wir nicht lebensfähig. Und innerhalb dieser Gemeinschaft leben Starke und Schwache, Gescheite und Einfältige, große und kleine Menschen, Männer und Frauen, Alte und Kinder, Handwerker und Dienstleister, Polizisten und Gauner. Und alle wollen überleben. Und wenn es geht, auch gut leben. Damit das funktioniert müssen Regeln des Zusammenlebens erstellt werden. Wenn die Gemeinschaft groß genug ist, braucht es Leute, die sich ausschließlich darum kümmern, Politiker oder Herrscher. Aber gehen wir noch mal eine Stufe zurück. Wenn sich Menschen zusammentun, brauchen sie Regeln, die für alle gelten. Diese Regeln müssen von allen akzeptiert werden, sonst machen sie keinen Sinn oder müssen ständig erkämpft werden. Wenn sie ständig neu erstritten werden müssen, gewinnt immer der momentan Stärkere. Das ist für das Zusammenleben eine große Belastung und ein Mangel an Zuverlässigkeit. Zuverlässigkeit braucht es aber, damit die Gemeinschaft und nicht nur der Stärkere in ihr überleben kann. Somit ist es für die Gesellschaft hilfreich, Regeln auf etwas aufzubauen, was mehr Macht und Einfluss hat, als der Stärkere in der Gruppe. Wenn man also einen universellen Anspruch auf bestimmte Regeln einfügt, benötigt die Gemeinschaft weniger Kraft, um die Regeln ständig neu durchzusetzen und gewinnt somit größere Überlebenschancen. Man müsste etwas nehmen, wovor auch die Stärksten Respekt haben. Was liegt also näher, dass man sich der Gottheiten bedient, an die man ohnehin glaubt? Eine Gottheit, die für unsere Gemeinschaft zuständig ist, ein JHWH unserer Sippe also. Wenn JHWH der Schutzgott für die eigene Sippe, Familie oder Stamm ist, dann will er auch, dass dieser Stamm überlebt. Also hat er auch ein Interesse daran, dass die Regeln der Menschen eingehalten werden. Somit werden aus den von Menschen erstellten Regeln göttliche. Na, ja, sie werden es nicht von alleine. Der Mensch muss sie schon zu solchen machen. Und das kann er nur, wenn er deutlich macht, dass er als Mensch im Auftrag der Gottheit handelt.