Gottesbild im Wandel der Zeit (lange Version von „mein Gott“)

Dass das Interpretieren von Geschichte auch auf das „von Gott diktiertes Wort“ zutrifft, will ich am Beispiel des Gottesbildes machen. Also davon, wie Gott im Wandel der Zeit gesehen wurde.

Frühgeschichte

Das Volk der Kanaanäer war von semitischer Herkunft und siedelte seit dem 3. vorchristlichen Jahrtausend im heutigen Palästina. Als Teil des phönizisch-syrischen Kulturgebietes verehrten sie dieselben Götter wie die Menschen im phönizischen Tyros, im syrischen Emesa oder im nordafrikanischen Karthago.
Grundsätzlich waren die Götterbilder im Alten Orient (Panthea), der orientalischen Kulturen, voll mit Göttern und Götterbildern, deren Verehrung häufig regional und manchmal auch zeitlich determiniert war. Die Art der Darstellung war in der Regel stilisiert und lässt es zu, Götter in Gruppen einzuordnen: So gab es in den verschiedenen Kulturen des Alten Orients Wettergötter mit sehr unterschiedlichen Namen, wie z.B. Adad, Teschub, Baal oder auch JHWH, die allesamt im Kontext bestimmter meteorologischer Erscheinungen wie Sturm oder Gewitter erwähnt und stiergestaltig dargestellt wurden. In der figuralen Darstellung waren sie zumeist schreitend, mit einer Kampfaxt oder Keule in der Hand oder aber mit Blitzbündeln abgebildet. Ursprünglich ist in Bethel (= „Haus des El“) ein Stierkult beheimatet gewesen, der im Laufe der Geschichte auf JHWH übergegangen ist.
Für die polytheistischen Kanaanäer gab es eine göttliche Vaterfigur – den Schöpfergott El. »El« ist das westsemitische Wort für »Gott« und bezeichnete bei den Kanaanäern den Vater aller Götter und Menschen. Man verehrte ihn als »Schöpfer der Erde«, als »Oberhaupt des Götterhimmels« und als »Stier, der das Universum erschaffen hatte«. Er galt als gutmütig und barmherzig, zugleich aber auch als schwach und zaudernd. Deshalb wurde er schließlich durch Baal vom Himmelsthron gestoßen.
El hatte zwei Gattinnen. Die Göttin Ascherat, die mit Astarte oder Tanit gleichgesetzt wird, war die »Mutter der Götter« und man verehrte sie auch als Shahar (»Morgenstern«).
Baal bedeutet »Herr« und war als einziger der Götter kein Sohn Els, sondern ein Sohn des Wettergottes Dagan, dem späteren Nationalgott der Philister. Nachdem er El vom Himmelsthron verdrängt hatte, nahm er Anat zu seiner Gefährtin. Seitdem wurde er als »Fürst und Herr der Erde« angebetet. Der Gott Jamm war als Gott des Meeres der Erstgeborene Els und machte deshalb Baal seine Herrschaft streitig. Nach einem Zweikampf wurde er von Baal getötet.
Der Gott Mot war der große Widersacher Baals und Herrscher der Unterwelt. Baal forderte Mot heraus und stieg in die Unterwelt, wo er starb. Aus Rache tötete Anat Mot und zerstückelte seinen Leichnam. Nach sieben Jahren wurden beide wieder erweckt und Mot musste Baals Herrschaft anerkennen.
Ab 1200 v. Chr. mit der Besiedlung Kanaans durch die Israeliten kam es zu einer Gleichsetzung des israelitischen Stammesgottes Jahwe mit dem kanaanitischen Gott El.  Damit wuchs ihm auch auch dessen Partnerin Aschera zu.
Seit dieser Zeit bezeichnet man Jahwe beispielsweise auch als El Olam (»Gott der Ewigkeit«). Selbst zwischen Jahwe und der Gottheit Baal gab es ursprünglich eine Verbindung, und gottergebene Israeliten wie Gideon (Ri 6,32) nannten sich Jerubbaal (»Baal kämpft«). Erst später wurde Baal zum verhassten Symbol für Heidentum und Götzenkult.
In der Anfangsphase der Geschichte Israels war die Religion Israels also polytheistisch. Laut Psalm 82 und 89 etwa, war JHWH ein untergeordneter Gott in einem kanaanäischen Pantheon oder Götterrat, dem EL oder Eljon an der Spitze vorstanden. Ob JHWH ursprünglich ein Wettergott oder eine Gottheit des El-Typs war, ist sehr umstritten. Es gibt aber Anzeichen dafür in den Schriften des Tanach.
Ein anderes Indiz für den Polytheismus sind die verschiedenen Gottesbezeichnungen wie Schrecken Isaaks, Starker Jacobs, die erahnen lassen, dass jeder Stamm bzw. jede Familie einen eigenen Schutzgott verehrte, der für die Belange der Familie verantwortlich gemacht wurde. Es handelte es sich also um polytheistische Formen der Familien- oder Stammesreligion.

Zeit der ersten Könige

In den Jahren von 1020 bis 722 v. Chr. herrschen die ersten Könige wie Saul, David oder Salomo über das Nordreich und Juda, bzw. das vereinigte Israel. In den Schriften der Richter und Königsbüchern wird deutlich, dass zwei konkurrierende Götter JHWH und Baal die Zweigleisigkeit des religiösen Systems darstellten. Unter den JHWH-Propheten Elia und Elisa formierte sich eine mächtige, wahrscheinlich politisch motivierte Opposition, die in Form von Wunderhandlungen die Priorität des JHWH-Glaubens unter Beweis zu stellen und den konkurrierenden Baalkult auszurotten versuchte.

Assyrisch-babylonische Zeit

In der zweiten Hälfte des 8. Jh. v. Chr. formiert sich auch die „JHWH-Allein-Bewegung“, als deren exponiertester Anhänger der Schriftprophet Hosea anzusehen ist. Dieser deutete die aggressive assyrische Invasionspolitik als Strafe JHWHs für die Untreue des Volkes Israel seinem Gott JHWH gegenüber, seit es „aus der Knechtschaft Ägyptens“ in das Land gekommen war. Die judäischen Könige Hiskia und Josia brachten das – vom deuteronomischen Gesetz inspirierte – Dogma von der Alleinverehrung JHWHs nach der Darstellung des Alten Testaments durch zwei Kultreformen voran. Nach dem plötzlichen Tod Josias blieben zumindest im Volksglauben einige synkretistische Kultformen (z.B. die Himmelskönigin) bestehen, die von Oppositionspropheten wie Jeremia und Ezechiel erneut angeklagt wurden. Und auch im Tempel scheinen, wenn man Ezechiels Berichten Glauben schenkt, wiederum Kultbilder aufgestellt worden zu sein.

Exil- und Nachexilzeit

597 v. Chr. erobert der babylonische König Nebukadnezzar Juda und deportiert Jojakin, den König von Juda und die gesamte Ober- und Mittelschicht nach Babylonien. Erst in der Exilzeit  (bis 538 v. Chr.) wird mit der Stimme des Deuterojesaja erstmals ein Programm entwickelt, das den praktischen JHWH-Allein-Glauben zu einem theoretischen Monotheismus weiterentwickelt. Seit dem wurden die Traditionen unter Betonung der Exklusion anderer Gottesvorstellungen weitergeführt, was bedeutet, dass JHWH alleiniger Gott ist.
In den Schriften findet sich der Gedanke der universalen Gültigkeit des einen Gottes für alle Menschen und Völker, sowie derjenige des Ausschlusses jeglicher Existenz anderer göttlicher Wesen. Gleichzeitig sieht die Mehrzahl der anderen alttestamentlichen Belege  in JHWH lediglich einen Gruppengott, nämlich den Gott Israels.
Während in der Genesis nahezu ausschließlich von ’älohîm „Gott“ die Rede ist, wird dieser in Exodus als Vätergott mit dem Namen Schaddaj vorgestellt, der sich von nun an erst unter dem Namen JHWH offenbart. Durch einer sich formierenden theologischen Bewegung war es gelungen, die traditionelle judäische Religion seit der Josiazeit langsam umzudefinieren und mit Erfolg zu behaupten, dass der Nationalgott JHWH schon immer Anspruch auf Einzigartigkeit erhoben hätte (Lang, 1981, 82f. vgl. ders., 2003, 110).
Solche Formen theologischer Engführung gibt es auch außerhalb des alten Israel, wie z.B. für Persien anzunehmen (Zoroastrismus; s. Hutter, 1996, 197ff).
„Der biblische Monotheismus ist ein Spätprodukt und steht nicht am Anfang, sondern am Ende der israelitisch-jüdischen Religionsgeschichte“ (B. Lang 1998, S. 161). M. Weippert (1994, 1ff) hat herausgestellt, dass die recht heterogene Textsammlung des Alten Testaments sehr unterschiedliche und vor allem durch das polytheistische Umfeld geprägte Bilder von seinem Gott bezeugt.