Hinter dem Tellerrand ist das Ende der Welt

Vom sehr gläubigen Menschen zum Atheisten war es ein langer und beschwerlicher Weg. Dieser Weg versperrt mir aber nicht die Sicht auf die Dinge des Glaubens, sondern ermöglicht mir immer neue Sichtweisen. Jeder Schritt weg vom System Religion öffnet den Blickwinkel ein wenig mehr, ähnlich einem Foto-objektiv, dass man von Tele- auf Weitwinkeleinstellung dreht. Wie schön der Globus Erde ist, wissen wir erst, seit dem wir Bilder der Erde aus dem Weltraum gesehen haben, Bilder vom blauen Planeten. Die räumliche Distanz ermöglicht eine andere Wahrnehmung. Der Glaube an Gott ist so sehr in unserer Kultur verstrickt, dass es sehr schwer ist, sich die Welt, ohne von dieser Ideologie geprägt zu sein, vorzustellen. Ich stehe auf der Erde und versuche die Erde zu betrachten ist ein anderes als ich stehe auf dem Mond und versuche die Erde zu betrachten. Dinge, die in der Theorie klar waren, bekommen nun ein anderes Gefühl, da ich sie sehe. So werden aus der Ferne viel schneller und deutlicher Zusammenhänge bewusst.
Je weiter ich mich vom Erdstandpunkt entferne, desto klarer wird mir, wie unsinnig es ist, an einen Gott zu glauben, der die Menschheit erschaffen hat – noch dazu als Krönung der Schöpfung, als sein Ebenbild sogar. So wie die Naturwissenschaft ein System ist, die Dinge zu erklären, so wie die Philosophie ein System ist, die Dinge zu begründen, so ist auch die Religion ein System, um Dinge begreiflich zu machen. Sie ist lediglich ein System, von mehreren. Mehr ist sie nicht. Da sie für sich aber Ansprüche erhebt, das einzig wahre System zu sein, ist es zugleich ein System der Macht, also ein System, dass gesellschaftliche Strukturen und Regeln schafft, die eine Hierarchie bestärken. Sie lieferte Erklärungen zu Dingen, die sich die Menschen nicht erklären konnten. Sie brachte Gefühle der Sicherheit und Ordnung. Und sie überlebte die letzten 3000 Jahre, weil sie Menschen im Kampf gegen andere miteinander verband. Älter ist sie noch nicht. Verglichen mit der Zeit, in der die Welt existiert, oder auch nur die Millionen Jahre, in denen es Leben gibt, ist die Religion, die an den einen Gott glaubt, nicht mal geboren.
In der Naturwissenschaft ist Platz für philosophische Sichtweisen und umgekehrt. Die Religion steht alleine.