Zeugenaussagen heute und vor 2000 Jahren
Ein Versuch: 15 angehende Polizeibeamte werden Zeuge eines fingierten Unfalls. Nur, dass die Beamten nicht wissen, dass es ein gestellter Unfall ist, der lediglich dazu dienen soll, herauszufinden, wie gut Zeugenaussagen wirklich zu gebrauchen sind. Bei Polizei und Beamte denke ich sofort an Recht und Ordnung, korrekte Angaben und dergleichen. Im Versuch befragte man die 15 Personen und verglich deren Aussagen. Aussagen über einen Tathergang, der vor kurzer Zeit direkt vor ihren Augen abgelaufen war. Ein Autofahrer steuerte seinen Wagen die Straße entlang und stieß mit einem Radfahrer zusammen. Der Autofahrer begann Fahrerflucht. Die Augenzeugenberichte der 15 waren unterschiedlich, wie sie nur unterschiedlich sein konnten. Manche hatten sich das Nummernschild merken können, andere konnten nicht sagen, ob es ein Mann oder eine Frau am Steuer gewesen sei. Unterm Strich kam raus, dass die Zeugenaussagen zum großen Teil falsch waren. Selbst die Farbe des Fahrzeuges wurde unterschiedlich angegeben.
Aber das ist heute. Vor rund 2000 Jahren waren die Menschen viel konzentrierter. Wenn da einer sagte, da war ein Stein vor der Höhle, dann war da auch einer und die Größe war hundertprozentig richtig angegeben. Wenn geschrieben steht, dass Jesus in einer Krippe gelegt wurde, als er im Stall zu Bethlehem geboren wurde, dann war das eine Krippe. Und die ganzen Erzählungen sind wörtlich so geschehen, schließlich waren die Evangelisten live dabei und schrieben direkt mit. O.k., nicht ganz. Keiner der vier Evangelisten war ein Zeitzeuge. Da lagen mindestens 60 Jahre dazwischen. Na, gut, was sind schon 60 Jahre für so feststehende Tatsachen, die bis dato noch keiner aufgeschrieben hatte. Schließlich weiß ich, dass man Hergänge ja auch mündlich gut weitergeben kann. Wenn ich meinem Freund eine Geschichte erzähle und er sie weiter erzählt, dann kann ich sicher sein, dass der nächste sie genau so versteht, wie ich sie gemeint habe. Mein Freund würde nie was weg lassen, von dem, was ich gesagt habe, kein einzelnes Wort. Der kann sich nämlich wörtlich merken, was ich sage. Das können doch alle Freunde, oder?